Die 9 ½ schlimmsten Fehler in der Bildbearbeitung
Nach den 15 schlimmsten Anfängerfehler in der Fotografie gibt es heute die 9 ½ schlimmsten Fehler in der Bildbearbeitung.
Ein zu stark bearbeitetes Bild erinnert mich oft an meine Versuche als Jugendlicher, mit Freunden einen „Actionfilm“ drehen zu wollen. Das Video war simpel: Ein Junge rennt durchs Haus und wird von hinten gefilmt, die Aufnahme völlig verwackelt.
Später am Computer wurden dann ohne Not riesige Explosionen, Schussgeräusche und zischende Laserstrahlen eingefügt – eine absolute Katastrophe! 😀
Das Gleiche gilt für Bilder: Bevor man ein Bild zu krass bearbeitet und mit Effekten vollstopft, ist es im Zweifelsfall immer besser, es natürlich zu belassen und lediglich Grundanpassungen vorzunehmen.
Es gibt aber noch mehr Fehler – es folgen die 9 ½ schlimmsten Fehler in der Bildbearbeitung!
(Diese Liste ist meine persönliche Meinung. Jeder hat einen anderen Geschmack und würde eine andere Liste aufstellen.)
Inhaltsverzeichnis
1. Das Potential lokaler Anpassungen wird verschenkt
Bei mir läuft eine Bildbearbeitung immer in drei Schritten ab (zum Artikel):
- Bei den Grundanpassungen passe ich die allgemeine Belichtung, die Tiefen und Lichter an. Also die Helligkeit und Kontraste des gesamten Bildes.
- Im zweiten Schritt wähle ich einen passenden Farblook raus.
- Der dritte Schritt wird häufig vergessen: Lokale Anpassungen und Retuschen!
Lokale Anpassungen eignen sich perfekt, um den Blick auf dein Motiv zu lenken. Da der Blick immer von dunkel zu hell wandert, kannst du durch eine Veränderung der Helligkeit den Blick beeinflussen.
Ein paar Beispiele, wie Du lokale Anpassungen verwenden kannst:
- Dunkle den Boden zum Motiv mit einem Verlaufsfilter ab, um einen Helligkeitsverlauf zu erschaffen.
- Verwende einen Pinsel mit erhöhter Belichtung und helle damit dein Motiv auf.
- Verwende einen Pinsel mit erhöhter Klarheit und pinsle Bereiche an, die du brillanter und schärfer erscheinen lassen möchtest.
- Verstärke Lichtquellen durch Radialfilter mit erhöhter Belichtung, zum Beispiel Scheinwerfer von Autos.
Für diese Anpassungen musst Du nicht gleich zu Photoshop springen, den Großteil kannst du bereits im RAW-Konverter machen.
Der Vorteil von einem RAW-Bildbearbeitungsprogramm ist außerdem, dass du die Anpassungen sehr einfach zurücksetzen kannst, wenn du es übertrieben hast.
Und das führt uns zum nächsten Fehler!
2. Nicht destruktives Arbeiten
Ein kleiner Test: Geh mal in deinen Bildkatalog und guck dir deine besten Bilder von vor drei Jahren an.
Gefallen dir die Bilder immer noch?
Ich stehe regelmäßig kopfschüttelnd am Computer und betrachte die Bearbeitung älterer Bilder!
Auch der eigene Geschmack ist immer im Wandel… Die meisten Bilder würde ich heute völlig anders bearbeiten.
Hoffentlich besitzt du noch de RAW-Datei und nicht nur die bearbeitete Jpeg-Version!
Um das Bild von Null an erneut bearbeiten zu können, sollte man immer nicht destruktiv arbeiten.
Was meine ich mit „nicht destruktiv“?
Das bedeutet, dass du die Anpassungen im Nachhinein noch rückgängig machen kannst. So kannst du übertriebene Bearbeitungen, unpassende Farblooks oder schlampige Retuschen korrigieren.
Meine Tipps:
- Arbeite so lange wie möglich im RAW-Konverter.
- Je invasiver oder gewagter die Anpassung, desto später solltest du sie in der Bearbeitung vornehmen. So kannst du einfach den letzten Schritt rückgängig machen.
- Hebe dir immer die RAW-Dateien auf und nicht nur die bearbeitete Jpeg-Datei.
Ein Beispiel zur Verdeutlichung:
Du machst ein tolles Strandfoto und beschneidest es erstmal auf das 4×5-Format für Instagram. Danach machst du die Grundanpassungen und passt die Farben an. Am Ende wechselst du zu Photoshop und stempelst mehrere Sensorflecken heraus und entfernst mit dem Stempelwerkzeug Plastikmüll, der im Vordergrund im Sand liegt.
Einige Tage später entscheidest Du dich, das Foto drucken zu lassen und Rahmen zu lassen.
Blöderweise hast du zu Beginn der Bearbeitung das Format auf 4×5 beschnitten!
Die restlichen Bildinformationen sind beim Wechsel zu Photoshop verloren gegangen. Du musst also das vollständige Bild neu bearbeiten und erneut Sensorflecken und Plastikmüll herausstempeln… ärgerlich!
Besser wäre es gewesen, erst ganz am Ende den Bildschnitt zu wählen und so lange wie möglich, nicht destruktiv zu arbeiten.
3. Zu viel Klarheit
Der Klarheit-Regler zieht Fotografen magisch an!
Manchmal bräuchte ich jemanden, der neben mir am Computer steht und mich mit einem strafenden Blick ansieht, wenn ich Klarheitsregler zu weit nach rechts schiebe…
Was macht denn die Klarheit überhaupt?
Der Klarheitsregler verstärkt die Mikrokontraste.
Während der normale Kontrast den Unterschied zwischen Hell und Dunkel bezogen auf das ganze Bild verstärkt, verstärkt Klarheit den Kontrast zwischen nebeneinanderliegenden Pixeln.
Klarheit kann den Eindruck der Dreidimensionalität verstärken, betont Strukturen und lässt das Bild schärfer wirken.
Mein Tipp:
- Verwende Klarheit nicht auf dem ganzen Bild, sondern nur lokal mit einem Pinsel!
Du pinselst also nur dein Motiv an und hebst dieses durch Klarheit hervor. Der Rest des Bildes bleibt von der Klarheit verschont und das Ergebnis wird professioneller.
4. Zu starke Vignette /weiße Vignette
Puh, manche Vignetten jagen mir einen eisigen Schauer über den Rücken… Ich bin mir sicher, dass eine weiße Vignette die 8. bisher unveröffentlichte Todsünde der Menschheit darstellt!
„Die beste Vignette ist eine, die man nicht sieht“ – Eike (2019)
Das meine ich völlig ernst! 😉
Das bedeutet nicht, dass sie so schwach ist, dass sie das Bild nicht verändert. Sie braucht nur einen sanften Verlauf und muss zur Stimmung des Bildes passen.
- Ein Foto bei Regenwetter: Hier nehme ich dem Bild auch eine sehr dunkle Vignette ab.
- Ein Foto bei strahlender Sonne: Wo soll hier der Schatten herkommen, wenn jeder Winkel ausgeleuchtet ist?
Meine Tipps:
- Wenn man eine Vignette nutzt, dürfen keine harten Übergänge entstehen. Nutze eine Vignette mit einem weichen, fließenden Übergang.
- Aufpassen bei Vignetten und hellen Himmeln: Lass die Vignette keine hellen Bildbereiche beeinflussen. Unter „Effekte > Vignette“ gibt es in Lightroom den Regler „Lichter“, der helle Bereiche von der Abdunkelung ausspart.
5. Keine perspektivische Korrektur
Bei Aufnahmen in der Stadt entstehen häufig stürzende Linien. Von stürzenden Linien spricht man, wenn die Gebäude aussehen, als würden sie nach hinten umfallen.
Vermeide stürzende Linien und deine Bilder sehen deutlich hochwertiger aus!
Schon beim Fotografieren kann man einige Dinge verbessern, mehr dazu in diesem Artikel: Stürzende Linien vermeiden.
Trotzdem muss man immer nochmal in der Bildbearbeitung Hand anlegen. Hierzu bieten die meisten Bearbeitungsprogramme ein Tool an, die perspektivische Korrekturen zulassen (in Lightroom unter „Transformieren“).
Am besten eignet sich eine Korrektur mit Hilfslinien: Die legst im Programm Linien an die Kanten am Gebäude an, die eigentlich gerade sein müssten. Am Ende wird das Bild so verzerrt, dass die Linien zueinander im rechten Winkel stehen.
Diesen Bearbeitungsschritt bitte nicht vergessen!
6. Zu viele knallige Farben
Dieser Punkt wurde mir vor allem durch das Buch „ABC der Farben“ (Mein Artikel zum Buch) erst wirklich bewusst.
Zu viele verschiedene Farben lassen ein Bild unharmonisch wirken.
Deutlich harmonischer wirkt ein Bild, das höchstens 2-3 Farben enthält. Alle anderen Farben sollten stark entsättigt werden, um die Farbharmonie nicht zu zerstören.
Wie wichtig die Farbenreduktion ist, verdeutlichen die vielen verschiedenen Presets und Filter.
Was machen die meisten Filter? Ganz genau: Sie konzentrieren sich auf zwei (komplementär) Farben und schalten die Restlichen aus.
13 Premium Presets für Lightroom anschauen.
Meine Tipps:
- Mach dir Gedanken, welche Farben harmonieren und welche Farben stören.
- Entsättige grelle Farben im Hintergrund, die vom Motiv ablenken.
- Oder verwende passende Filter oder Presets, die den Job für dich übernehmen.
7. Das Histogramm wird nicht genutzt
Wenn man das erste Mal ein Histogramm sieht, entsteht bei Anfängern der Eindruck, dass die Fotografie zu den Raketenwissenschaften gehört.
Bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass das Ganze ziemlich simpel ist.
Alles übers Histogramm erfährst Du in diesen tollen Artikel (lesenswert!).
Das Histogramm kann uns dabei helfen, deutlich brillantere Bilder mit einer ausgeglichenen Belichtung zu erreichen. Denn mit dem bloßen Auge ist oft gar nicht zu erkennen, dass das Bild leicht unterbelichtet ist oder nicht den vollen Kontrastumfang nutzt!
Bereits bei den Grundanpassungen sollte man immer das Histogramm im Blick haben.
Dabei achte ich darauf, dass
- die Tiefen und Lichter an den Rand des Histogramms stoßen, um den vollen Kontrastumfang auszureizen.
- der Schwerpunkt der Tonwerte im mittleren Bereich liegt, um sicher zu gehen, dass das Bild nicht über- oder unterbelichtet ist.
- die Tiefen und Lichter nicht abgeschnitten sind.
- keine Farbkurve ausreist und das Bild einen deutlichen Farbstich bekommt.
Im Verlauf der Bearbeitung kann sich die Belichtung unseres Bildes nochmal verändern. Daher empfehle ich dir, ganz am Ende nochmal einen Blick aufs Histogramm zu werfen, bevor du das Bild exportierst.
Denk dran: Das Histogramm ist wie ein neutraler Beobachter – ein unvoreingenommenes Korrektiv.
Wenn du mehrere Bilder hintereinander bearbeitest, entwickelst du einen Tunnelblick und erkennst Bildfehler oder Farbstiche nicht mehr!
Apropos Tunnelblick, diesem verdanken wir dem nächsten schlimmen Fehler: Zu starke Bearbeitungen!
8. Eingefügte Effekte und extreme Bearbeitung
Bildbearbeitung ist wie Schminken:
Ein dezentes Make-up kann den Look aufwerten. Pinselt man sich dagegen großzügig mit knalligem Lippenstift, kräftigen Eyeliner und glitzernden Nagellack an, erweckt man eher den Eindruck, in einen Farbkasten gefallen zu sein!
Wenn man stundenlang verschiedene Bilder bearbeitet, überdreht man gerne mal mit den Effekten:
- Die Sättigung noch etwas erhöhen,
- da noch einen Lensflare einfügen,
- hier noch ein paar Möwen mit Photoshop einfügen
- und am Ende noch einen kräftigen Farblook drüber
– die kleinen Anpassungen führen Stück für Stück zu einem absolut künstlichen Bild!
Frag dich immer: Unterstützen die Bilder meine Bildaussage? Tragen sie zur Stimmung bei?
Eine Hand voller Effekte macht aus einem nichtssagenden Bild kein Meisterwerk!
Abstand hilft!
Ich bearbeite meine Bilder auch sehr intensiv. Damit ich es nicht völlig übertreibe, schlafe ich gern noch eine Nacht drüber, bevor ich sie veröffentliche.
Um zu überprüfen, ob sich das Bild gut in deinem Instagram-Feed einfügt, kannst du auch die App „Plann“ verwenden. Die App habe ich in meinem Artikel über 4 Tools für Instagram vorgestellt.
Wenn du dann feststellst, dass deine Bearbeitung deutlich übertrieben ist, hoffe ich, dass du „nicht destruktiv“ gearbeitet hast. Im Optimalfall kannst du den Schwarm eingefügter Möwen mit einem Klick entfernen. 😉
8,5. Schräger Horizont
Dieser Fehler zählt nur halb, weil er eigentlich mehr ein fotografischer Fehler ist.
Bei einer klaren Horizontlinie ist es besonders wichtig, dass der Horizont auch horizontal verläuft. 😉
Wenn du beim Fotografieren nicht darauf geachtet hast, solltest du das spätestens bei der Bildbearbeitung korrigieren. Andernfalls kannst du das Bild auch schief in der Wohnung aufhängen, damit der Horizont wieder passt (nicht empfohlen!).
Beim Drehen im Bildbearbeitungsprogramm wird man zwangsläufig die äußeren Bildbereiche verlieren. Das sollte uns ein gerade Horizont aber auf jeden Fall wert sein!
Also am besten gleich beim Fotografieren darauf achten.
9,5. Ein knalliger Filter ersetzt keinen Bildinhalt
Kennst Du das: Du siehst eine interessante Straßenecke, aber auch nach ein paar Minuten Wartezeit will dort nichts Spannendes passieren.
Ich erwische mich dann regelmäßig bei dem Gedanken: „Ach egal, mit einem Preset und ein bisschen Bildbearbeitung wird das Bild trotzdem interessant…“.
Leider nein!
Ein Bild ohne Inhalt, wird auch nicht mit einem knalligen Filter besser.
In Zeiten, wo der nächste Filter nur ein „Swipe“ nach rechts entfernt ist, tritt die Fotografie in den Hintergrund und die Bildbearbeitung wird zum Selbstzweck.
Auch der beste Filter kann nicht aus Sch*** Gold machen!
Die Bildbearbeitung kann immer nur das i-Tüpfelchen auf einem gelungenen Bild sein.
Fazit
Ich hoffe ich konnte dir ein paar Denkanstöße liefern. Vielleicht ist dir ein „Fehler“ bisher noch nicht aufgefallen?
Aber denk daran: Der Artikel hat kein Anspruch auf Allgemeingültigkeit, es handelt sich um meine persönliche Meinung.
Wenn dein Bildstil viele verschiedenen Farben oder viel Klarheit enthält, ist das völlig in Ordnung. Hauptsache du hast dich für deinen Bildstil bewusst entschieden und stehst selbstbewusst dazu.
Man muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass die eigenen Fotos jedem Menschen gefallen müssen!
Wenn man allen gefallen möchte, macht man es niemanden recht – vor allem einem selbst nicht!
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6 Comments
Hallo! Tolle Tipps, danke! Diese Fehler sind wirklich die häufigsten.
Danke, freut mich!:-)
Liebe Grüße
Eike
Servus Eike, echt tolle Tips.
Ja, so manche dieser Fehler kommen mir bekannt vor !-).
Besonders bei der Bildbearbeitung ist man verleitet ein wenig zu viel am Regler zu drehen.
Grüße,
Harald
Hallo Harald, danke für die netten Worte!
Ja in der Bildbearbeitung ist es immer eine Gratwanderung zwischen gut und zu viel des Guten. 😉
Liebe Grüße,
Eike
Wenn ich hier lese, komme ich vom Hundertsten ins Tausendste und mein Tag sollte mindestens 36 besser noch 48 Stunden haben. Danke für Deine Mühe Eike!
Sehr gerne!
Freut mich, dass ich dich mit dem Artikel inspirieren konnte! 🙂
Liebe Grüße
Eike