Stürzende Linien korrigieren: Mit diesen 7 Tipps nie mehr verzerrte Gebäude
Hilfe! Die Gebäude fallen um! In diesem Artikel bekommst du 7 Tipps und Techniken, um stürzende Linien zu korrigieren.
Jeder Fotograf kennt das Problem stürzender Linien beim Fotografieren von Architektur. Die geraden Wände eines Gebäudes scheinen nach oben hin zusammen zulaufen und das Gebäude nach hinten umzukippen. Der Effekt ist völlig natürlich – alles was weiter weg ist erscheint kleiner. Unser Gehirn wirkt dem Phänomen aber entgegen und „begradigt“ diese Linien automatisch. Deshalb fallen uns die stürzenden Linien erst auf, wenn wir ein Bild betrachten und nicht in der Realität.
Besonders wichtig: Versuch alles menschenmögliche zu tun, um bereits fotografisch die stürzende Linien zu vermeiden. Digitale Korrekturen führen in der Regel zu massiven Qualitäts- und Pixelverlust.
In diesem Artikel wirst du keine Erklärungen über die Objektiv-Technik und Lichtbrechung finden. Dich erwarten 5 Praxistipps, um stürzende Linien zu vermeiden!
Der Artikel ist Bestandteil meiner Städtereise- Artikelserie. Hier findest du die anderen beiden Artikel:
Teil 1: Fotografieren auf Städtereisen Tipps: Planung, Ausrüstung und Recht
Teil 2: 15 inspirierende Bildideen für bessere Fotos auf deiner Städtereise
Teil 3: Dieser Artikel
Inhaltsverzeichnis
Wie kann ich stürzende Linien korrigieren bzw. vermeiden?
1. Völlig gerade auf das Gebäude fotografieren
Meistens wird die Kamera einfach so nach oben kippt, damit das Gebäude ganz ins Bild passt.Vor allem mit Weitwinkel-Objektiven treten damit starke Verzerrungen auf – das Gebäude „kippt“ nach hinten. Diesen Effekt kann man umgehen, indem man gerade auf das Gebäude fotografiert.
Einziges Problem: Man hat viel Boden vor dem Gebäude auf dem Bild und wenig Himmel. Und oft bekommt man das Gebäude auch gar nicht ganz ins Bild.
Mein Tipp: Zieh die Laufschuhe an und geh einige Meter zurück! Fotografiere im Hochformat völlig gerade auf dein Objekt und schneide in der späteren Bildbearbeitung dein Bild zu. Im typischen Instagram-Format „4×5“ musst du zwangsläufig den Boden oder den Himmel beschneiden. Neuere Sensoren haben meist über 20 Megapixel, sodass man das Bild großzügig beschneiden kann, solange man es nur im Web präsentieren möchte.
Wenn du ein Bild im Querformat möchtest, musst du dich zwangsläufig noch ein ganzes Stück weiter entfernen, um das Gebäude vollständig ins Bild zu bekommen.
2. So macht’s der Profi: Stürzende Linien mit Tilt – Shift – Objektiven vermeiden
Tilt-Shift-Objektive werden extra dafür konzipiert, Verzerrungen in der Architekturfotografie zu vermeiden. Durch das verschieben mehrere Linsen zueinander – „shift“ – wird optisch dafür gesorgt, dass der Strahlenweg von der Gebäudespitze bis zur Gebäudefront gleich weit ist.
Ich bin kein Fachmann über die Funktionsweise dieser Linse. Wenn du dich für die Technik näher interessierst kann ich dir diesen Artikel von Kwerfeldein empfehlen. Hier siehst du in einem Video wie Tilt-Shift-Objektive funktionieren.
Wenn man die Shift-Funktion an der Kamera nicht benutzt wird, kann man ein Tilt-Shift-Objektiv auch zum normalen Fotografieren benutzen. In der Regel sind diese Objektive nicht besonders lichtstark und etwas größer, sodass ein täglicher Gebrauch eher weniger in Frage kommt.
Leider sind diese Objektive sehr teuer: Ein Blick in Amazon* verrät, dass man für die Anschaffung mindestens 600 – 2300 Euro hinlegen muss. Diese Möglichkeit, stürzende Linien zu vermeiden, wird also für die meisten Hobbyfotografen keine ernsthafte Option sein.
3. Auf Augenhöhe mit dem Gebäude gehen
Wenn du dich auf Höhe des Gebäudes begibst, musst du deine Kamera nicht kippen, um das Gebäude ganz ins Bild zu bekommen. Es enstehen nur geringe Verzerrungen, wenn die Gebäudespitze und der Boden gleich weit von der Kamera entfernt sind.
Für die Praxis: Wenn du eine unverzerrte Aufnahme von einem Gebäude möchtest, such dir ein Gebäude aus, von dem du gut auf dein Motiv der Begierde blicken kannst. Jetzt musst du nur noch Zugang zum Gebäude bekommen. Die meisten Hochhäuser haben eine Aussichtsplattform, aber bei Privathäusern wird es da schon schwieriger … viel Spaß beim Klingeln! 😀
4. Längere Brennweiten verwenden
Vor allem bei Weitwinkelobjektive treten durch den großen Bildwinkel starke Verzerrungen auf. Sorge für Distanz zu deinem Motiv und verwende Teleobjektive aus der Entfernung.
Der große Nachteil: Je größer die Entfernung, desto trüber werden die Farben und schlechter die Kontraste. Dieser Nachteil wird bei Nebel oder Regen noch größer.
In den folgenden Bildern seht ihr den Unterschied zwischen einer Aufnahme aus der Entfernung mit einem Teleobjektiv und einer Aufnahme aus der Nähe mit einem Weitwinkelobjektiv. Beide Aufnahmen wurden perspektivisch nicht korrigiert.
5. Korrekturen in der Nachbearbeitung
Der leider schlechteste Weg ist die nachträgliche Korrektur in der Bildbearbeitung. Je stärker die Verzerrung, desto stärker muss das Bild später beschnitten werden. Dabei gehen viele Pixel verloren.
- Verwende Objektivprofile in Lightroom, die Verzerrungen ausgleichen
- Leichtere Verzerrungen können digital korrigiert werden – „Lightroom > Transformieren > mit Hilfslinien“. Richte die Hilfslinien an den verzerrten Kanten des Gebäudes aus. Lightroom verzerrt nun automatisch das Bild, damit die Hilfslinien wieder parallel zueinander verlaufen.
Besonders wichtig: Lass rechts und links neben dem Motiv genügend Platz, damit du nach dem Zuschneiden nichts von deinem Gebäude verlierst.
6. Pixelverlust kompensieren – Panorama erstellen
Um nicht zu viele Pixel zu verlieren kannst du auch ein Panorama erstellen und dieses „perspektivisch“ verrechnen. Achte wieder darauf, dass du an den Seiten großzügig Platz lässt, damit Lightroom die Verzerrungen ausgleichen kann.
Ein weiterer Tipp, damit du nicht so viele Pixel verlierst: Erweitere dein Bild vor der perspektivischen Korrektur in Photoshop. Das funktioniert besonders gut, wenn sich links und rechts neben dem Gebäude nur ein einfarbiger blauer Himmel befindet.
Wechsle von Lightroom nach Photoshop mit der Tastenkombination Strg+E. Erweitere die Arbeitsfläche mit dem Freistellungswerkzeug (Tastenkürzel C) und hab dabei den Haken bei „inhaltsbasiert“ gesetzt. Photoshop erweitert nun den neu eingefügten Bereich mit einer passenden Inhaltsfüllung.
Speichere das Bild nun mit der Tastenkombination Strg+S ab und wechsel wieder zu Lightroom. Nun kannst du wie gewohnt deine Hilfslinien anlegen und das Bild perspektivisch korrigieren.
7. Objektivkorrekturen aktivieren
Neben den perspektivischen Verzerrungen gibt es auch objektivbedingte Abbildungsfehler – sie nennt man Verzeichnungen. Jedes Objektiv führt zu Verzeichnungen. Bei Weitwinkelobjektiven fallen diese deutlich stärker aus als bei Teleobjektiven.
Verzeichnungen führen dazu, dass gerade Linien auf dem Foto gekrümmt erscheinen. In Lightroom können diese einfach durch das Aktivieren der Objektivkorrekturen ausgebessert werden. Du findest sie im Entwicklungsmodul unter „Objektivkorrekturen“ > Profil > Objektivkorrekturen aktivieren.
Wenn du ältere Objektive oder Objektive mit Adaptern verwendest, kann es sein, dass keine Signale zwischen Objektiv und Kamera ausgetauscht werden können. Das erkennst du daran, dass keine Kontakte an der Objektivrückseite vorhanden sind und du die Blende manuell am Objektiv einstellen musst. In diesen Fällen wird auch nicht in den Metadaten gespeichert, mit welchem Objektiv die Aufnahme gemacht wurde.
Hier musst du das passende Objektivprofil in Lightroom selbst auswählen oder manuell die Verzeichnungen korrigieren.
Muss ich stürzende Linien überhaupt korrigieren?
Nicht jedes Bild muss korrigiert werden! Wenn dein Hauptmotiv eine Person vor einem Gebäude ist, wäre es Schwachsinn, penibel genau Verzerrungen in der Architektur zu vermeiden.
Verzerrungen können auch als Stilmittel verwendet werden. Gerade Aufnahmen mit einem Superweitwinkel-Objektiv lassen Situationen besonders dynamisch erscheinen. Die Verhältnisse zwischen Nähe und Entfernungen werden dadurch dramatisch betont!
Aus manchen Perspektiven wirst du niemals ein Gebäude ohne Verzerrungen abbilden können. Hier kannst du ganz gezielt die Verzerrungen übertreiben, dich nahe ans Gebäude stellen und senkrecht in die Luft fotografieren. Im Foto unterhalb siehst du den Effekt.
Fazit:
Haben dich stürzende Linien bisher nicht interessiert?
Ich muss zugeben: Die penible Ausrichtung ist schon eher etwas für Perfektionisten. Eine leicht verzerrtes Gebäude ist auf den meisten Bildern keine Katastrophe. Ich halte es aber trotzdem für sehr sinnvoll. Ein korrigiertes Bild wirkt deutlich harmonischer und professioneller.
Wenn das Hauptmotiv deiner Aufnahme ein Gebäude ist, wird es umso wichtiger auf stürzende Linien zu achten.
Halte die obigen Tipps auf deiner nächsten Städtereise einfach ein bisschen im Hinterkopf. Du machst schon vieles richtig, wenn du die Kamera völlig gerade hältst, Entfernung zum Objekt aufbaust oder von einem anderen, hohem Gebäude fotografierst. Und schau doch mal in den ersten Teil hinein: Fotografieren auf Städtereisen Tipps: Planung, Ausrüstung und Recht.
Schreib deine Meinung in die Kommentare oder diskutiere in meiner Facebook – Gruppe „kreative Fotografie“ darüber! 🙂
Beste Grüße, Eike.
5 Comments
Servus Eike!
Du hast einen Fan deiner Seite gewonnen :-). Habe mir jetzt alle drei Teile deiner Städte-Artikel-Serie reingezogen und finde alle drei wirklich hervorragend! Man sieht auf den ersten Blick, dass du alle Artikel mit viel Mühe erstellt hast.
Have fun
Horst
Freut mich, dass ich einen neuen Fan gewonnen habe!
Hab auch gleich mal deinen Blog besucht und werde jetzt bisschen durch deine Artikel stöbern. 🙂
Bin gespannt was ich bei dir entdecken kann.
Beste Grüße, Eike.
Ich arbeite schon seit einigen Jahren mit dem Programm „Shirt-N“, das ich mir heruntergeladen habe. Ich hüte es wie meinen Augäpfel, denn es ist das beste Programm. Kopf hoch und viel Erfolg.
Hallo Wolfgang,
klingt interessant. Bei einer ersten Recherche habe ich aber leider kein Programm mit dem Namen gefunden. Vielleicht kannst du noch mal nen Link dazu nachsteuern? 😉
Liebe Grüße
Das Programm heißt ShiftN.