Wecke die Neugierde mit diesem genialen Konzept der Streetfotografie
„Fotograf verrät geheimen Trick, mit dem er im Handumdrehen atemberaubende Bilder schießt.“
Sicher kennst Du solche nervigen Überschriften?
Manche Onlinemagazine sind durch solche Überschriften extrem erfolgreich geworden. Der Gedanke dahinter ist simpel: Mach einen potenziellen Leser neugierig, indem Du ihm etwas Spannendes versprichst, aber nicht zu viel verrätst! Dieses Informationsdefizit nennt sich „Curiosity Gap“.
Der fabelhafte Streetfotograf Joshua K. Jackson hat diesen Gedanken aus der Werbung in die Fotografie transferiert und ich war sofort von der Idee begeistert!
(In diesem Video mit Sean Tucker erklärt er das Konzept)
Dieser Artikel ist der zweite Einblick in mein neues Buch „Der Guide zur urbanen Fotografie“
In diesen drei Artikeln bekommst Du einen Vorgeschmack:
- Faszination urbane Fotografie, warum Fotografieren in der Stadt einfach genial ist
- Wecke die Neugierde mit diesem genialen Konzept der Streetfotografie
- bessere Langzeitbelichtungen auf Knopfdruck mit „Lighttrail-Stacking“
Willst Du mehr Tipps und Tricks zum Fotografieren in der Stadt lesen?
Dann schau dir hier das Buch an.
Inhaltsverzeichnis
I. Was bedeutet das auf die Fotografie übertragen?
Zeig nicht sofort die ganze Szene, sondern lass bewusst eine Lücke, die den Betrachter neugierig macht und ihn anregt, mehr sehen zu wollen. Schaffe in deinen Fotos etwas Mysteriöses und kreiere einen „Cliffhanger“.
Die Silhouette eines Menschen im Gegenlicht ist ein gutes Beispiel. Man könnte die dunkle Person dramatisch aufhellen, damit man das Gesicht gut erkennt. Wir nutzen aber diese Lücke (= „Curiosity Gap“) und machen den Betrachter neugierig: „Was für eine Person verbirgt sich hinter dem Schatten?“
II. Experimentiere doch mal damit
Wie können wir es schaffen, Spannung aufzubauen und noch Interpretationsspielraum zu lassen?
Hier habe ich ein paar Ideen für dich, wie du vorgehen kannst:
- Längere Belichtungszeiten lassen Gesichtszüge und Fahrzeuge verwischen und machen sie nicht auf Anhieb erkennbar (z.B. 1/10 Sekunde).
- Abstraktion: Durch beschlagene Fenster oder Reflektionen kannst Du Menschen und Objekte auf ihre Farben oder Formen reduzieren.
- Erforsche Deine Stadt in der Nacht und spiele mit Licht und Schatten. Lass das Licht nur einen Teil der Szene treffen.
- Suche nach Personen, die gerade in einer Handlung stecken. Zeig bewusst nicht das ganze Bild, sondern lass Elemente weg, um die Fantasie des Betrachters zu wecken. Erzähle nicht die ganze Geschichte!
- Experimentiere mit Silhouetten und lass Gesichtszüge mit der Dunkelheit verschmelzen.
- Fotografiere Personen seitlich oder von hinten, um sie nicht komplett zu zeigen.
- Erschaffe dezente Doppelbelichtungen, entweder in der Kamera oder digital.
III. Lass die folgenden Fragen offen
Durch gezieltes Fotografieren oder durch nachträgliche Bildbearbeitung, können wir bestimmte Informationen bewusst weglassen.
- Was für eine Person ist dort abgebildet? Frau oder Mann? Jung oder alt?
- Wo befindet sich die Person?
- Was verbirgt sich hinter der Fensterscheibe / in der Spiegelung?
- Was passiert als nächstes?
- Warum macht die Person die Handlung XY?
Ein großer Vorteil des Konzeptes: Solche Fotos kannst Du in jeder Stadt machen!
Du brauchst keine ausgefallene Architektur einer Millionenmetropole wie New York oder London. Ein interessanter Schattenwurf oder eine spiegelnde Geschäftsfassade reichen bereits aus, um spannende Fotos zu machen.
IV. Bildbesprechung: So setzt Du das Streetfotografie Konzept um
Die Szene im Café hat mich schon von Weitem angezogen. Ein gegenüberliegendes Gebäude hat sich im Fenster reflektiert. Nachdem ich mich richtig positioniert habe, lag die Reflektion genau über dem Gesicht der Person. Der Mann ist so nicht mehr identifizierbar. Man erkennt lediglich eine nachdenkliche Haltung, den Laptop und seine Aktentasche.
Für dieses Foto habe ich mich an einem Fußgängerüberweg platziert und gegen die Lichter der haltenden Autos fotografiert. Durch das krasse Gegenlicht werden die Fußgänger zur Silhouette und die Identität bleibt verborgen. Ein abgestelltes Fahrrad habe ich zusätzlich genutzt, um meine Person zu Rahmen.
An einem sonnigen Morgen auf dem Weg zu Arbeit sind mir sofort die Schatten aufgefallen, die Fußgänger in die Treppe zur U-Bahn werfen. Nach ein paar Minuten habe ich diesen interessanten Schatten fotografieren können. Da die Person selbst nicht zu sehen ist, wirkt der Schatten umso menschlicher, als würde er auch ohne Schattenspender existieren. Wie sieht wohl die Person zum Schatten aus?
Das Bild könnte glatt einem Horrorfilm entspringen! Der Fokus und die einzige Lichtquelle liegt hinter der Person. Der Betrachter weiß nicht, was in den nächsten Sekunden passiert: Kommt die Person auf uns zu? Was hat sie in der Hand? Warum trägt sie eine Kapuze? (Spoiler: Es ist eine Sony Alpha 6000* in der linken Hand! 😀 )
Mach den Betrachter neugierig!
Das Konzept im Alltag umzusetzen kann wirklich schwer sein. Man muss einen guten Mittelweg finden:
Wie viel einer Handlung muss ich zeigen, um neugierig zu machen?
Zeigst Du zu wenig, ist das Bild langweilig, zeigst Du zu viel, geht die Spannung des Verborgenen verloren…
Es braucht eine Menge Übung, aber die Ergebnisse sind genial!
Mach Dir klar, dass diese Bilder nicht zufällig entstehen. Man muss gezielt nach diesen Situationen suchen und das kann auch mal länger dauern!
Hat dir der Artikel gefallen?
Dieser Artikel ist der Zweite von drei Auszügen aus meinem neuen Buch „Der Guide zur urbanen Fotografie“
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Einen weiteren Einblick ins Buch bekommst du in diesem Artikel: Faszination urbane Fotografie – Warum Fotografieren in der Stadt einfach genial ist!
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